Der vorliegende Roman gilt neben Heinrich Manns Werk "Die kleine Stadt" als eine der besten Schöpfungen aus der Frühzeit des Dichters. Er erschien erstmalig im Jahre 1905 und schildert die makabre Geschichte eines professoralen Gymnasiastenschrecks, einer Spießerexistenz, die in später Leidenschaft einer Kleinstadtkurtisane verfällt und aus den gewohnten bürgerlichen Bahnen entgleist.Mit diesem Roman, dessen Verfilmung mit Emil Jannings und Marlene Dietrich unter dem Titel "Der blaue Engel" zu einem der wenigen wirklichen Welterfolge des deutschen Films wurde, gelang Heinrich Mann eine meisterhafte Karikatur der Wilhelminischen Zeit.
Erzählt wird die Geschichte eines verknöcherten wilhelminischen Gymnasiastenschrecks
und Kleinstadttyrannen namens Raat, dem seine Schüler den bösen Spottnamen
Professor Unrat gegeben haben. Raat verwechselt die Schule mit dem Leben
und sieht in den Bewohnern der Stadt nichts als ehemalige Schulversager
und Dummköpfe. Bei der Verfolgung von drei Schülern, die ihm wegen ihrer
Aufsässigkeit besonders verhasst sind, gerät Raat in die Hafenspelunke
>>Der blaue Engel<<, wo er sie zu erwischen hofft, um sie dann wegen ihres
schulwidrig-unmoralischen Verhaltens sozial vernichten zu können. Doch
das Unerwartete geschieht: Raat erliegt der erotischen Attraktion der dort
auftretenden Chanteuse Rosa Fröhlich, deren Gunst der Schüler Lohmann gewonnen
hatte. In zunächst geheimer, dann offener Konkurrenz mit seinen Schülern
sucht Raat Tag für Tag den Tingeltangel auf und gewinnt Zugang zur Garderobe
der Künstlerin. Der sinnen- und genussfeindliche Pedant erliegt der >>fremden
Macht<< der Sängerin und überschreitet die Grenzen wohlanständiger Bürgerlichkeit.
Seine Stellung wird immer unhaltbarer, das skandalöse Verhältnis in einem
Prozess auch öffentlich bekannt. Als nicht mehr >>staatserhaltendes Element<<
wird er aus dem Schuldienst entlassen. Unter den übelwollend-begehrlichen
Blicken ihrer Mitbürger verleben Raat und Rosa eine schöne Zeit; sie heiraten
und führen für kurze Zeit ein bohemehaftes Leben in Saus und Braus, in
das sie sogar zahlreiche Honoratioren der Stadt hineinziehen. Aus dem Geächteten
wird ein Bordellinhaber und Zuhälter, Spielbankhalter und Schuldenmacher,
der seine Mitbürger bewusst nicht nur ins sittliche, sondern auch ökonomische
Verderben stürzt. Der Schultyrann mutiert zum Anarchisten, welcher alle
ins Lasterhafte verschobenen Triebe und Sehnsüchte hervortreibt, die die
kleinstädtischen Honoratioren - wie Raat selbst - in sich unterdrücken
mussten, um an die Bedingungen der bürgerlich-autoritären Gesellschaft
angepasst leben zu können. Schließlich verfängt er sich in rasender Eifersucht
auf seinen Konkurrenten Lohmann, den er in blinder Wut attackiert und dem
er eine Brieftasche stiehlt. Raat und Rosa werden verhaftet und als >>Fuhre
Unrat<< im Polizeiwagen abtransportiert.