21. Juni, der längste Tag des Jahres, halb sechs Uhr morgens, Sonnenaufgang: Ein Sohn macht sich auf den Weg - seine Mutter hat ihn gebeten, ihr beim Sterben zu helfen, wenn die Sonne untergeht am Ende dieses Tages. Er braucht Zeit und frische Luft, also geht er zu Fuß von einer Stadt zur anderen, fünfzehn Stunden lang, und versucht unterwegs, seine Mutter am letzten Tag ihres Lebens endlich zu begreifen. Er erinnert sich an sein Aufwachsen in der Kleinstadt, an ein Leben als Kind dieser Eltern, als Bruder seiner älteren Schwester. Er stellt Fragen und wundert sich; zu jeder vollen Stunde denkt er sich einen möglichen Abschied von seiner Mutter aus. Er schweift ab, beobachtet Vögel, geht. Bis er fast nicht mehr kann und es Abend wird.
Ralf Schlatter erzählt von einer ganz normalen, unspektakulären Familie, vom Unausgesprochenen und von der Einsamkeit, von immergleichen Mustern und vom Gewicht der Ahnen, aber er tut das mit humorvoller Leichtigkeit, großer Fantasie und wunderbar liebevollem, versöhnlichem Blick - so wird schließlich auch das Schwere leicht.