2019 ist Lena Lindgren ins Silicon Valley gereist, in der Hoffnung, Mark Zuckerberg zu seinen Plänen für telepathische Technologie zu interviewen. Der Versuch scheiterte, aber er lieferte den Anfang für einen investigativen Essay darüber, wie die Medientechnologie uns unter die Haut geht - psychologisch, politisch und existenziell.
In dem Buch Echo - Ein Essay über Algorithmen und Begehren betrachtet die Autorin die heutige Gesellschaft durch die Linse des griechischen Mythos von Echo und Narziss. Die Geschichte: Die Bergnymphe Echo redet ununterbrochen. Sie lügt und plappert so viel, dass sie am Ende von Hera bestraft wird. Sie verliert die Fähigkeit, ihre eigenen Sätze zu bilden und kann nur noch wiederholen, was andere sagen. Echos große Liebe ist Narziss, der - nachdem er sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt - stirbt.
Lena Lindgren zeigt in ihrem Essay, dass dieses Märchen helfen kann, die heutige Welt zu erklären. Sie führt uns zu der Erkenntnis, dass wir kollektiv den Bezug zur Realität verlieren, weil wir - genau wie Echo und Narziss - in unseren eigenen Kanälen (der Echokammer und dem Spiegelsaal) gefangen sind.
Sie geht in ihrem Buch auf Themen wie Identitätspolitik, Kulturkriege, Narzissmus (der allzu oft »Echoismus« in Verkleidung ist), Sucht und Begehren, Verschwörungstheorien und die brutalen Shitstorms in den sozialen Medien ein, und erklärt, wie alle das Ergebnis eines bestimmten Medienmechanismus sind. Diesen Mechanismus nennt sie »mimetische Algorithmen«. Denn warum werden die Menschen in den sozialen Medien so aggressiv? Warum sehen Instagram-Promis alle mehr oder weniger gleich aus? Warum gedeihen Verschwörungstheorien über diese Kommunikationskanäle?
Die Beispiele, die Lindgren in diesem Buch aufführt, sind die typischen »Medienpersönlichkeiten« unserer Zeit: Donald Trump und der QAnon-Schamane, berühmte Influencer:innen und Glamour-Models, und Terrorist Anders Behring Breivik. Wie ein roter Faden zieht sich die wahre und spannende Geschichte des Investors Peter Thiel und seinem spirituellen Lehrer, dem Religionshistoriker René Girard, durch den Essay.
Lena Lindgren ist überzeugt, dass die Radikalisierung, die wir alle erleben, Ausdruck einer fehlgeleiteten Spiritualität ist. Wir sind getrieben von einem Bedürfnis nach »etwas Größerem«, dem Streben nach Liebe und einem Gefühl der Zugehörigkeit. In einem persönlichen und poetischen Stil hat die Autorin eine »Theorie« darüber aufgestellt, warum die Welt einen Umbruch erlebt, und warum wir diesen nicht unbeschadet, oder unberührt, überstehen.